Der Zug hält in Gernsheim am Rhein, Hafenstraße. Der Name sagt es schon: Direkt an einem kleinen Industriehafen liegt ein Industriegebiet. Mittendrin solvadis distribution. Das Unternehmen lagert und liefert flüssige Chemikalien wie Mineralöle, Lösungsmittel oder Alkohole an Pharmaunternehmen, die chemische Industrie oder andere Industriebranchen wie die Metallverarbeitung. Dazu betreibt solvadis am Standort Gernsheim für eigene Kunden und als reiner Dienstleister ein trimodales Chemietanklager: Tanks von 50 bis 2.000 Kubikmetern nebst einer Abfüllstation für Intermediate Bulk Container (IBC) und Fässer – und jetzt auch einen direkten Gleisanschluss. Ein eigener Gleisanschluss war früher gang und gäbe. Davon zeugen oft noch grasüberwucherte Schienen auf Industriegeländen. Angesichts verstopfter Straßen und ehrgeiziger Klimaziele kommt dem eigenen Gleisanschluss wieder eine neue Bedeutung zu. Ab wann seine Wirtschaftlichkeit beginnt, ist eine Frage genauer Analysen. Bei solvadis jedenfalls ist er es.
Unabhängig: beladen und befüllen, wenn es in den eigenen Zeitplan passt. Quelle: Oliver Tjaden
Flexibel dank eigenem Gleisanschluss
Schienen führen von der Straße durch große Stahltore auf das Gelände. Die frischen Straßenmarkierungen lassen ahnen, dass hier erst kürzlich die Bauarbeiten abgeschlossen wurden: Die Gleise sind ebenso neu wie der Straßenbelag oder die hochmodernen Befüllstationen. Technik nach den aktuellen Regeln der Sicherheit. solvadis hat den Umbau für weitreichende Optimierungen genutzt. Georg Lammers ist stolz darauf: „Wir können hier vom Schiff, vom Lager und vom Lkw in den Zug umschlagen – und vice versa. Wir sind trimodal so aufgestellt, dass wir fast alle Kundenwünsche abdecken können“, erzählt der Director Supply Chain, der das Projekt bei solvadis verantwortete. „Wir wollten flexibler und umweltfreundlicher werden und dafür den Transport via Schiene stärken. Das ist absolut gelungen – wir arbeiten jetzt schneller, sicherer und komfortabler. Und wir können die zusätzlichen Anfragen umsetzen, besser auf Nachfrageschwankungen eingehen und somit die Warenverfügbarkeit für unsere Kunden wesentlich erhöhen – ein Gewinn für Kunden, Unternehmen und Mitarbeiter.“ „solvadis distribution hat auch früher schon wenige Einzelwagen mit DB Cargo transportiert. Aber der Rangieraufwand war beträchtlich“, erzählt Ercan Lawrenz, Kundenbetreuer bei DB Cargo. „Die Entscheidung für den direkten Gleisanschluss zeigt, wie ein Unternehmen sein Verkehrskonzept nachhaltig ausrichten und gleichzeitig das Volumen durch den zusätzlichen Verkehrsträger Schiene steigern kann. Eine ideale Kombination: Klimaschutz, der zum Unternehmenserfolg des Kunden beiträgt“, erklärt Ercan Lawrenz. „Nebenbei wird auch die operative Abwicklung der Logistik vereinfacht. Denn je nach Güterwagentyp und Ware kann ein Wagen bis zu drei Lkw ersetzen.
Kesselwagen mit Desinfektionsmitteln fahren direkt vor den Hof
Doch vor dem Erfolg standen Planung und Bau. Ist ein eigener Gleisanschluss nicht ein zu großes Projekt für ein Unternehmen dieser Größenordnung? Georg Lammers nickt – diese Überlegungen haben auch bei solvadis eine Rolle gespielt und insgeheim hat er sich vor viel bürokratischem Aufwand gefürchtet. Wie lange dauert der Planungs- und Genehmigungsprozess? Welche Hürden gibt es? Wird der Gleisanschluss so schnell realisiert, dass die Kosten nicht explodieren? Heute blickt der Director Supply Chain entspannt zurück: „Es hätte gar nicht besser laufen können. Insbesondere bei der reibungslosen und kurzfristigen Inbetriebnahme: DB Cargo hat ein unheimlich kompetentes Team mit den richtigen Fachleuten und sehr viel Erfahrung zusammengestellt. Alle haben an einem Strang gezogen und es lief wirklich alles wie am Schnürchen. DB Cargo hat uns viel abgenommen und Fäden im Hintergrund gezogen. Mit vielem mussten wir uns gar nicht befassen.“ Gerade rechtzeitig zur Corona-Pandemie konnten die Kesselwagen mit den dringend benötigten Desinfektionsmitteln direkt vom Hof fahren.
Bedingt durch die Kürze des früheren, vorhandenen Gleises konnten bei solvadis bis zum Bau des direkten Gleisanschlusses einzelne Kesselwagen nur mit großem Rangieraufwand befüllt werden. Heute bedient das Unternehmen durch den direkten Gleisanschluss nicht nur die steigende Nachfrage. „Wir ersparen unseren Kunden auch die Investitionen in große Tank- und Lagerlösungen“, erläutert Georg Lammers, Director Supply Chain, einen wichtigen Mehrwert. „Sie können die benötigten Mengen bedarfsgerecht abrufen. Das ist umso wichtiger, als in vielen Betrieben ein Trend zu Schwankungen in der Nachfrage zu verzeichnen ist. Die puffern wir für unsere Kunden ab und gehen auf Wünsche nach schnellem Nachschub flexibel ein. Die Sicherheit in der Produktversorgung unserer Kunden können wir somit maßgeblich erhöhen.“
Von der Subsahara an den Rhein
Gerade steht an Gleis 3 ein Kesselwagen, der mit Methanol befüllt werden soll. „Das Produkt hat bereits eine weite Reise hinter sich“, beschreibt Georg Lammers einen typischen Warenstrom in der globalisierten Welt. „Große Anlagen zur Herstellung von Methanol befinden sich in Übersee, der Alkohol kommt daher mit riesigen Tankschiffen nach Antwerpen und dann mittels Rheinschifffahrt oder per Bahn zu uns ins Lager. Sobald das Produkt vom Kunden benötigt wird, können wir mit der neuen Gleisanlage sehr schnell die Befüllung der Kesselwagen vornehmen: So bringen wir die Einzelwagen äußerst effizient auf den Weg.“ Mit einer Rangierhilfe wird der Kesselwagen unter die Befüllanlage gebracht und ein Mitarbeiter öffnet die Ladeluke oben auf dem Wagen. Dann taucht ein großer kranartiger Verladearm in den Kesselwagen. Er enthält jede Menge intelligente Technik, Sensoren und eine Gaspendelung“, erklärt Wolfgang Schül, der bei solvadis Betriebsleiter ist. „Denn die hier gelagerten Lösungsmittel, Mineralöle und Alkohole sind Gefahrgüter. Und wenn sie auch einen eher geringen Gefahrengrad aufweisen, bleibt Sicherheit auch beim Befüllen und Abpumpen oberstes Gebot. „Moderne Technik sorgt dafür, dass menschliche Fehler vermieden werden können und keine Gase oder Flüssigkeiten austreten“, beschreibt Schül das Prinzip. Ist der Kesselwagen erst mal befüllt, wird er mit der Rangierhilfe wieder aus dem Weg geschoben.
Am Gleisanschluss von solvadis wird ein Kesselwagen zur Befüllung vorbereitet. Quelle: Oliver Tjaden
Mit dem Einzelwagen die nötige Flexibilität anbieten
Mit den gleichen Sicherheitseinrichtungen kann solvadis auch zwei Tankcontainer auf einen Kesselwagen laden. Wolfgang Schül verweist mit Stolz auf die neue und erweiterte Umschlagsfläche: „Auch Kunden ohne Bahnanschluss können, als reine Dienstleistung, einen Bahnkesselwagen nutzen.“ Ein Angebot, das stark nachgefragt wird. Sind die Kesselwagen beladen, werden sie noch am gleichen Tag von einer Rangierlok abgeholt. In der nächsten Zugbildungsanlage speist DB Cargo sie mit Wagen gleicher Richtung in den Güterwagenverkehr ein. Das entscheidende Argument bei solvadis für die Schiene: die Flexibilität des Einzelwagenverkehrs.
Gegenüber dem Lkw sieht man bei solvadis klare Vorteile: Klima- und Umweltschutz sowie Sicherheit für Gefahrguttransporte gehören dazu. „Wir wollen unseren Teil dazu beitragen, die Straßen vom Lkw-Verkehr zu entlasten. Für unsere Produkte, aber auch als Directshipment für weitere Kunden“, beschreibt Lammers die Motive. Er und sein Kundenberater Ercan Lawrenz von DB Cargo sind überzeugt davon, dass solvadis und DB Cargo die Mengenaufkommen steigern und auch in Zukunft auf Zuverlässigkeit und Flexibilität setzen können: „Wir wachsen gemeinsam. Dazu wird auch die Digitalisierungsoffensive von DB Cargo noch weiter beitragen.“
Mit dem Ganzzug das volle Potenzial der Schiene ausschöpfen
So sollen dieses Jahr auch Ganzzüge zum eigenen Gleisanschluss im Tanklager fahren. Die ausreichende Länge hat das Gleis, um Wagengruppen und Ganzzüge schnell und effizient zu be- und entladen. Das ist wichtig, um den Unwägbarkeiten wie einem Corona-Lockdown oder Niedrigwasser in der Binnenschifffahrt standzuhalten. Die Kunden von solvadis distribution können über die Schiene zu jeder Zeit mit wichtigen Rohstoffen versorgt werden.
Ab wann ein Zug als Ganzzug zählt? Eine typische Länge beträgt etwa 20 Wagen. Aber die Länge ist nicht entscheidend. Viel wichtiger ist: Er fährt die gesamte Strecke vom Start bis zum Ziel als Einheit. Von einem Ganzzug spricht DB Cargo ab einer Ladung von etwa 1.000 Tonnen netto. Ist er voll beladen, kann ein Ganzzug bis zu 52 Lkw-Fahrten ersetzen – und damit das volle Potenzial der Schiene ausschöpfen. Mit Ganzzügen kann aber nicht nur mehr Menge transportiert werden, der Transport geht auch bis zu 60 Prozent schneller als per Lkw.
Kombinierter Verkehr schützt vor Lieferengpässen durch Niedrigwasser
Dadurch, dass selbst Ganzzüge am Gleisanschluss fahren können, ist solvadis außerdem in der Lage, direkt zwischen den einzelnen Verkehrsträgern zu wechseln, Waren umzuschlagen und diese Leistungen auf dem Markt anzubieten. Die Flüssigchemieprodukte werden in einem hermetischen System zwischen den Verkehrsträgern bewegt, ohne mit der Außenwelt in Berührung zu kommen. Im Rahmen der Bauarbeiten wurden nicht nur die Gleiskapazitäten wesentlich erweitert, sondern auch die Umschlagsflächen.
Trimodaler Umschlagpunkt: vom Binnenschiff direkt in die Kesselwagen oder den Lkw. Quelle: Oliver Tjaden
Die Hafengesellschaft hat den Hafen entsprechend ausgebaut, sodass auch die Flexibilität für Binnenschiffe maximal ist. Eine Erweiterung der Tanklagerkapazität um 5 x 2.500 Kubikmeter ist bereits beantragt, um noch flexibler zu werden. Normalerweise werden im Tanklager Gernsheim Binnenschiff- und Bahntransporte durch Direktverladung und -umschlag miteinander kombiniert; zunehmend bereitet man sich aber auch auf häufigere Niedrigwasser am Rhein vor. Vor solchen vorhersehbaren Problemen schützt das Unternehmen seine Kunden und sich durch den Ausbau der Schiene.
GPS verrät Position der Wagen
Um fit für die Zukunft zu sein, spielen auch digitale Lösungen für solvadis eine Rolle. Seit der Inbetriebnahme des eigenen Gleisanschlusses nutzt solvadis das digitale Angebot link2rail. Die Kesselwagen des Unternehmens sind zum Großteil bereits mit GPS ausgestattet, die restlichen Wagen befinden sich bereits in Umrüstung. Damit können sie via link2rail verfolgt werden. Durch die Standortinformationen wissen die Disponenten im Unternehmen, wann Kesselwagen wieder für weitere Verkehre zur Verfügung stehen. Insbesondere bei intermodalen und internationalen Verkehren wichtig: Je genauer die Ankunftszeiten von Wagen bekannt sind, desto besser ist der Kunde auf das Eintreffen vorbereitet und desto präziser können die Wagen für nachfolgende Verkehre geplant werden.
Während das Team von DB Cargo im Servicecenter die Position der Kunden verfolgt und sie routiniert im laufenden Geschäft unterstützt, sind die Kundenberater ausgewiesene Experten, die ihre Kunden lange kennen und passende Konzepte entwickeln. So auch bei solvadis. „Wir arbeiten vorzugsweise digital und freuen uns, wenn DB Cargo seine digitalen Angebote weiter ausbaut. Das macht viele Prozesse flexibler und effizienter. Dennoch helfen bei wichtigen Fragen die guten persönlichen Kontakte und die Betreuung durch einen festen Kundenberater, der unser Geschäft kennt. Das hat sich bei der Planung des Gleisanschlusses deutlich bemerkbar gemacht“, sagt Georg Lammers, Director Supply Chain solvadis distribution. Bei jedem Digitalisierungsprojekt steht deshalb nicht die technische Machbarkeit oder Innovation im Vordergrund, sondern stets der Kundennutzen. Konkret: Die Lösung bringt dem Kunden einen Zeit- oder Kostenvorteil.
Mit diesem kundenorientierten Denken ist die Logistik von solvadis erfolgreich. Und mit neuen Ideen und DB Cargo als starken Partner ist das Unternehmen auch für die Zukunft aufgestellt.
Mit der Rangierhilfe werden die Wagen auf den Gleisen bewegt. Quelle: Oliver Tjaden