Webasto zählt zu den 100 größten Zulieferern der Automobilindustrie weltweit. Allein im Werk in Neubrandenburg produzierte der Weltmarktführer seit 1990 bis heute mehr als 24 Millionen Fahrzeugheizungssysteme, berichtet Werksleiter Andreas Dikow. Von seinem Büro aus blickt der Manager direkt auf den Güterbahnhof von Neubrandenburg. „So kam Webasto auf die Idee, eine alte Tradition neu zu beleben“, sagt Karl Gümpel, Leiter Customer Solutions Center bei DB Cargo Logistics. Das passende Pilotprojekt war zügig konzipiert. Auch weil der Transport zwar auf den Kunden angepasst, das Projekt aber mit vorhandenem Equipment realisiert wurde. Eine mehrwöchige Testphase zur Belieferung des Neubrandenburger Werks über die Schiene startete Ende letzten Jahres. Gemeinsam mit DB Cargo Logistics und dem langjährigen Speditionspartner von Webasto Gertner aus Altentreptow testete das Unternehmen an seinem Standort in Mecklenburg-Vorpommern mit dem Pilotprojekt die Transporte zweier Lieferanten in Süddeutschland und Tschechien über die Schiene. Die beiden Hersteller liefern dem Werk eine große Anzahl an Komponenten zur Herstellung von Heizsystemen für die Elektromobilität.
Zuverlässigkeit und Wirtschaftlichkeit
„Webasto sucht systematisch nach effizienten Lösungen in der Warenlogistik, die gleichzeitig möglichst klimaschonend sind“, sagt Karl Gümpel. „Nachhaltigkeit ist ein wichtiges Kriterium für die künftige Gestaltung unserer Leistungs- und Lieferketten. Zugleich ist gerade in der Automobilbranche ein Höchstmaß an Zuverlässigkeit und Wirtschaftlichkeit gefordert. Unser Testlauf hat in allen Punkten überzeugt. Wir haben daher entschieden, das Projekt auf weitere Partner auszudehnen“, erklärt Andreas Dikow. Regelmäßige und damit planbare, für einen Einzelwagen ausreichend große Volumina pro Wegstrecke zwischen Webasto und seinen Lieferanten sind Voraussetzungen für einen Umstieg auf den umweltschonenderen Gütertransport per Bahn.
CO2-Reduktion bei Transporten um mehr als 75 Prozent möglich
Von Neubrandenburg werden leere Transportbehälter aus dem Webasto-Werk per Bahn zu den Lieferanten geschickt, die sie dann mit den benötigten Komponenten befüllen und zurück Richtung Neubrandenburg senden. Im Großversuch ersetzt der Bahntransport 95 Prozent dieser 1.200 beziehungsweise 1.400 Kilometer langen Umlaufwegstrecken, die die Zulieferteile bisher komplett per Lkw zurücklegen. Für die restlichen fünf Prozent der Strecke, das sind maximal 70 Kilometer, übernehmen weiterhin Lkw den Transport, da die Lieferanten nicht direkt an die Schiene angebunden sind. Ein wesentliches Ergebnis des Pilotprojekts ist: Durch die Nutzung von Güterzügen statt Lkw lässt sich der Kohlendioxidausstoß bei den Transporten vom und zum Standort Neubrandenburg um mindestens drei Viertel senken. Um seine Emissionen weiter konsequent zu verringern und Effizienzpotenziale größerer Transportmengen auf der Schiene zu nutzen, plant Webasto, nun weitere Lieferanten aus Deutschland, Tschechien, Ungarn und Rumänien in das Logistikprojekt einzubeziehen. Die nächste Testphase ist für das zweite Quartal 2022 geplant. Mittelfristig sollen mehr als 50 Prozent aller Heizungskomponenten für das Werk Neubrandenburg über die Schiene angeliefert werden.
Blaupause für andere Kunden
Schon in der ersten Hälfte 2022 soll die Überführung des Probebetriebs in den Regelbetrieb erfolgen. Außerdem sollen dann am Standort Neubrandenburg weitere Potenziale der Verlagerung auf die Schiene geprüft werden. Mit den beiden Pilotlieferanten werden 15 Prozent des gesamten Einkaufsvolumen des Werks bewegt. Für mehr als 50 Prozent der Zulieferteile ist eine Abwicklung über die Schiene denkbar. Langfristiges Ziel wäre ein eigener Gleisanschluss. Die Erfahrungen aus dem Projekt sollen auch für andere Standorte in die globale Nachhaltigkeitsinitiative der Webasto Gruppe einfließen. „Wir freuen uns, dass wir Webasto dabei unterstützen können, seine Ziele zu erreichen und die Verkehre auf die umweltfreundliche Schiene zu verlagern“, sagt Karl Gümpel. „Das Konzept für Webasto könnte damit zur Blaupause für andere Kunden werden. „Noch besser wäre natürlich ein eigener Gleisanschluss, dann müssten wir nicht mehr offen auf dem Güterbahnhof von Neubrandenburg verladen“, meint Karl Gümpel. „Möglicherweise birgt ein geplanter Stellwerksumbau in Neubrandenburg ganz neue Potenziale für den Schienengüterverkehr in der Region.“
Schienenbasierter Güterverkehr bis nach China
Denn wenn es nach Webasto geht, dann ist noch viel mehr möglich: Parallel arbeiten der Automobilzulieferer und DB Cargo Logistics an einer schienenbasierten Güterverkehrsverbindung zwischen den Webasto-Standorten Neubrandenburg und Wuhan (China). Die Voraussetzungen dafür wären gegeben: „Wenn wir das direkt an unser Firmengelände angrenzende Bahngleis für die Beladung der Wagen nach Wuhan nutzen könnten, ließe sich der Austausch mit unserer anderen Produktion für Heizsysteme von Elektrofahrzeugen dort komplett über die Schiene realisieren. Das wäre nicht nur mit Blick auf die CO2-Bilanz unseres Standorts Neubrandenburg, sondern auch für die gesamte Webasto Gruppe eine zukunftsweisende Perspektive“, erklärt Andreas Dikow.